Giganten aus Beton: Wie Staudämme die Erde verändern
- Von Welt der Wunder
- Nachhaltigkeit
- 28.11.2017
Sie erzeugen Strom, sichern die Bewässerung und die Trinkwasserversorgung: Staudämme und Wasserkraftwerke sind Projekte der Superlative. Doch häufig verlieren tausende Menschen durch die Mega-Bauwerke ihre Existenzgrundlage – und die Folgen der gigantischen Eingriffe in die Natur sind nicht absehbar.

Schauen Sie dazu unsere Galerie an!
©iStock-poplasen
Die Drei-Schluchten-Talsperre in China: Kaum ein anderes Bauprojekt war in den vergangenen Jahren so umstritten wie dieses gigantische Wasserkraftwerk. Aktuell ist die Stauanlage am Jangtsekiang die größte der Welt. Der durch den Bau entstandene Stausee erstreckt sich über mehr als 600 Kilometer, von Sandouping in der Provinz Hubei westlich bis zur Mega-City Chongqing.
©imago_China-Foto-Pres
1993 wurde mit dem Bau der Drei-Schluchten-Talsperre begonnen, 2008 waren die Bauarbeiten abgeschlossen. Zu allen prognostizierten und unvorhersehbaren ökologischen Negativ-Folgen kommt hinzu, dass die Talsperre sich in der Nähe einer geologischen Verwerfung befindet – und somit in einem Gebiet mit realer Erdbebengefahr. Sollte der Mega-Damm bei einem Erdbeben beschädigt oder gar zerstört werden, wären mehrere Millionen Menschen akut bedroht.
©imago_Xinhua
Nicht nur einmalige Landschaften – rings um die berühmten Drei Schluchten – sind durch den Bau der Talsperre für immer in den Fluten versunken. Auch ganze Städte, Dörfer und Fabriken gingen unter. Rund zwei Millionen Menschen wurden umgesiedelt, die exakten Zahlen schwanken. Im Oktober 2007 entschied die chinesische Regierung, dass weitere vier Millionen Menschen aus ökologischen Gründen umgesiedelt werden müssten.
©imago_ Karina-Hessland
Nach dem Drei-Schluchten-Staudamm in China und dem Itaipu-Staudamm an der Grenze zwischen Brasilien und Paraguay soll er der drittgrößte Staudamm der Weltwerden: das Wasserkraftprojekt Belo Monte am Amazonas-Seitenarm Xingu in Brasilien. Im Mai 2016 gingen die ersten Turbinen in Betrieb, bis 2019 soll der Mega-Staudamm fertig gestellt werden.
©imago_Fotoarena
Seit Jahren ist das Mammutprojekt in der Kritik: Nach Angaben der brasilianischen Regierung müssten 16.000 Menschen für Staudamm und Stausee in Belo Monte umgesiedelt werden, Nichtregierungsorganisationen gehen sogar von 40.000 Menschen aus.
©imago_Fotoarena
Wegen der Überflutung von Ackerland und kostbarem Regenwald sowie der geplanten Umsiedelung von Menschen gibt es gegen die gigantische Infrastruktur-Maßnahme massive Proteste. Seine Gegner sehen das Amazonas-Ökosystem und die Lebensgrundlage von Ureinwohnern aus achtzehn verschiedenen ethnischen Gruppen bedroht.
©imago_Fotoarena
Schon mehrfach wurde das Projekt nach Erteilung der Baugenehmigung durch gerichtliche Entscheidungen vorübergehend gestoppt – und immer wieder aufgenommen. 11.000 Megawatt soll das Kraftwerk produzieren, wenn 2019 die Bauarbeiten abgeschlossen sind – und 20 Millionen Haushalte mit Energie versorgen.
©iStock-AndreyPopov
Gebaut wurde der Hoover-Staudamm zwischen 1931 und 1935. Aus rund 2,6 Millionen Kubikmeter Beton und 43.500 Tonnen Stahl besteht die Staumauer. Die Grenze zwischen den US-Bundesstaaten Nevada und Arizona verläuft genau in der Mitte der Staumauer. Mit dem Mehrzweckstaudamm sollten die Wassermassen des Colorado River kontrolliert und die trockene Region bewässert werden. Weiterhin sollte Strom aus Wasserkraft gewonnen und die Wasserversorgung von Los Angeles gesichert werden.
©imago_Ruediger-Woelk
1.150.000 Kubikmeter Erde und Fels wurden für den Bau des Hoover-Damms abgetragen. Rund 16.000 Arbeiter waren an dem Mega-Projekt beteiligt. Die gigantische Anlage staut den 180 Kilometer langen Lake Mead auf, den größten künstlichen See der USA.
©imago_motivio
Siebzehn Turbinen treiben die Generatoren des Kraftwerks an, ihre elektrische Leistung liegt bei 2.080 Megawatt. Seit Fertigstellung des Hoover-Staudamms in den 1930er Jahren haben Ingenieure weltweit Hunderte gigantischer Damm-Projekte errichtet. Doch bei allen Vorteilen verlor der Colorado River durch die Aufstauung seinen ursprünglichen Charakter. Das Ökosystem wurde völlig verändert, zahlreiche heimische Fischarten verloren ihren natürlichen Lebensraum.
©imago_imagebroker
Aus insgesamt 22 Staudämmen besteht das Südostanatolien-Projekt (GAP) in der Türkei. Der erste und größte von ihnen ist der Atatürk-Staudamm, der den Fluss Euphrat aufstaut. In Betrieb ist er seit 1992. Die Landschaft des mesopotamischen Schwemmlandes, wo Euphrat und Tigris zusammenfließen, hat sich durch das in den 1990er-Jahren fertiggestellte Staudamm-Projekt massiv verändert. Rund 1,5-mal so groß wie der Bodensee ist der entstandene Stausee, das weitläufige Marschland der Umgebung ist heute weitgehend ausgetrocknet und unfruchtbar. Etwa 60.000 Menschen wurden für den Bau des Atatürk-Staudamms umgesiedelt.
©imago_sepp-spiegl
Neben der Stromgewinnung dient die Talsperre der landwirtschaftlichen Bewässerung. Über die Tunnel bei Sanliurfa werden 1,7 Millionen Hektar Ackerland bewässert, fast ein Zehntel des Energiebedarfs der Türkei wird hier erzeugt. Der Atatürk-Staudamm ist ein umstrittenes Bauwerk. Bedeutende archäologische Stätten wurden dauerhaft überflutet und die gesamte Region grundlegend verändert. Die Wasserversorgung ist ein Konfliktherd zwischen den Anrainerstaaten des Euphrat: Weil die Türkei große Wassermengen aus dem Fluss entnimmt, fürchten die flussabwärts gelegenen Staaten Syrien und Irak, dass ihnen nicht genug Wasser zur eigenen Bedarfsdeckung bleibt. In einem Abkommen mit Syrien verpflichtete sich die Türkei 1987, mindestens 500 Kubikmeter Wasser pro Sekunde durch den Euphrat abfließen zu lassen.
©imago_sepp-spiegl
Mit 6.852 Kilometern ist der Nil der längste Wasserlauf der Erde. Er ließ eine der ersten Hochkulturen der Menschheit entstehen, insgesamt rund 300 Millionen Menschen leben heute entlang der Ufer des Nils. Zehn Anrainerstaaten erheben Anspruch auf die Lebensader in der Wüste. Doch wenn sie einmal aus dem Gleichgewicht wird, könnte sie sogar ganz versiegen. Der 1971 fertiggestellte Assuan-Staudamm befindet sich im südlichen Ägypten, etwa 13 Kilometer stromaufwärts der Stadt Assuan.
©imago_photothek
Sieben Kilometer südlich der alten Staumauer begannen am 9. Januar 1960 die Bauarbeiten für den neuen Damm in Assuan. Rund 2.000 Ingenieure und 30.000 Arbeiter bauten an dem Projekt. Umgerechnet kostete es etwa 2,2 Milliarden Euro. Sowohl die Landwirtschaft als auch die industrielle Infrastruktur Ägyptens sollten durch den Damm gefördert werden.
©imago_Harald-Lange
Der Assuan-Staudamm staut den Nil zum riesigen Nassersee auf, der sich bis in den Sudan erstreckt. Durch den Assuan-Staudamm wird ein Großteil des Nilsediments zurückgehalten. Folge: Der Fischbestand geht dramatisch zurück. In einem Zweier-Abkommen hatten Ägypten und der Sudan bereits 1959 die empfindliche Lebensader untereinander aufgeteilt. Sich selbst bewilligt Ägypten jährlich 55,5 Milliarden von insgesamt 84 Milliarden Kubikmetern Wasser.
©imago_Joana-Kruse
Bis zur Fertigstellung des Drei-Schluchten-Staudamms in China im Jahr 2006 war das Itaipú-Wasserkraftwerk das größte seiner Art überhaupt. Die Staumauer und der Stausee von Itaipú liegen am Fluss Paraná, an der Grenze zwischen Brasilien und Paraguay. Der Stausee ist mit einer Fläche von 1.460 Quadratkilometer zweieinhalb Mal so groß wie der Bodensee.
©imago-imagebroker
Besonders im Hinblick auf die Veränderung der Umwelt werden der reale Nutzen und die langfristigen Kosten des Staudamms bis heute kontrovers diskutiert – wie bei vielen Staudamm-Projekten rund um den Globus.
©iStock-poplasen
In einer im März 2013 veröffentlichten Studie analysiert die Naturschutzorganisation WWF kritisch die „Sieben Todsünden des Staudammbaus“ und nennt Beispiele auf fast allen Kontinenten. Wissenschaftliche Erkenntnisse und Risikoabschätzungen unterlägen demnach zu häufig den politischen und ökonomischen Wünschen. So werde etwa entgegen allen Warnungen an den falschen Flüssen und an den falschen Stellen gebaut. Verluste biologischer Vielfalt würden dabei billigend in Kauf genommen. Das Problem kurzfristig gedachter Fehlplanungen sei, anders als häufig vermutet, nicht auf Entwicklungs- und Schwellenländer beschränkt – sondern trete gerade auch in Nordamerika und Europa immer wieder auf.
©imago_photothek